Innerer Monolog eines zwanghaften Aufschiebers
Gyan Zetina

Deutsch von Chris Michalski
spanische Fassung


Denk daran, was du dir versprochen hast, und du kannst dich selbst nicht im Stich lassen.

Es ist wohl spät, ich spüre, wie die metallische Kälte der Nacht meinen Bauch bestürmt, sie drückt ihr ganzes Gewicht auf mich, schlägt mit solcher Wucht gegen meine Lider, dass sich die Bilder verwischen, die meine Augen noch wahrnehmen.

Denk daran, was du dir versprochen hast, genauso wie gestern, als du nicht zugehört hast. Du lagst da, ausgebreitet auf der Matratze, betrunken von einer Müdigkeit, von der du keinen Schluck genommen hast.

Hier habe ich alles, was ich brauche, um mit der Arbeit anzufangen, die mir entspricht; das sind die einzigen Augenblicke, die wirklich mir gehören. Doch ich gehe mit ihnen um wie ein nachlässiger Chef, wie ein König, der von seinen Untertanen beherrscht wird.

Jetzt gleich werde ich beginnen. Ich muss mich nur vorbereiten, die dichten Gewitterwolken voller Erinnerungen wegschaffen, denn sie trüben meine Gewissheit, berauben mich meiner Klarheit. Ich werde mein Telefon nehmen und die ungelesenen Nachrichten so beantworten, dass mich kein Impuls mehr von der Dynamik meiner Arbeit abbringt. Eine ganze Welt passt in mein Telefon. Ich tauche meinen ganzen Körper in das erleuchtete Wasser des Bildschirms, mache die Augen in dieser Tiefe auf, wo niemand meine wahre Form erkennt – so verzerrt ist sie von den Wellen, die meinen Körper durchbohren wie Pfeile. Hier nehme ich alles anders wahr. Aber ich kann in diesem Raum nicht länger bleiben. Eine aus der Tiefe hervorquellende dunkle Flüssigkeit trübt das Wasser. Ich erinnere mich an die Sachen draußen, die auf mich warten, da in der Hellsichtigkeit.

Setz dich hin, setz dich jetzt hin! So viel Zeit ist vergangen, und du bist immer noch am Anfang. Vergiss das Ritual, all die Vorbereitungen, um eine einfache Aufgabe zu erledigen. Weißt du noch, wie du es als Schüler gehasst hast, bei offiziellen Feierlichkeiten die Nationalhymne mitzusingen? Du brauchst Kraft und Entschlossenheit. Du setzt dich jetzt hin, fährst den Rechner hoch und arbeitest, bis du fertig bist. So hat man das immer gemacht. Du schraubst zwei Bretter – zwei lange Holzbretter – an deinen Schläfen fest, damit du nur geradeaus schauen kannst. So bist du gezwungen, dich auf den beleuchteten Bildschirm zu konzentrieren. Du lässt keinen Gedanken durch das symbolische Gerüst flattern, das du um deinen Geist errichtet hast. Diese Ablenkungen wollen nur deine Produktivität zerstören, sie in einen Sack packen und wegtragen, fern von dir halten, um sie später in eine fremde Luft zu streuen. Sie wird fortfliegen, wie ein Geier hinter den Wolken verschwinden. Und du wirst einschlafen, niedergeschlagen, dass sie dir so entkommen konnte. Du wirst neu anfangen müssen. Beiß dir also nicht in den Schwanz.

Ich bin ein kleines Stück vorangekommen. Mein Kiefer verrenkt sich jede Sekunde, um mich von der Aufgabe abzuhalten. Ich würde mich gern umdrehen und auf eine vertraute Szenerie blicken. Die Schatten besetzen denselben Raum wie gestern, die Türme von Büchern und Papieren ruhen sich aus, aneinandergekuschelt wie Kaninchen, sie kämpfen gegen den kalten Luftstrom, der in ihr Versteck hineindringt. Der Rechner macht den Lärm einer kleinen Fabrik, in der Arbeiter damit beschäftigt sind, die Stille taub zu machen. Manchmal nehmen sie sich kurz Zeit, um zu atmen. Eine kleine Lampe hält Wache, achtet darauf, dass der Schlaf nicht durch den kleinen Spalt durchsickert, den sie nicht ganz schließen können, beleuchtet zaghaft die wüst verwickelten Kabel. Ich kenne das alles schon, das Bild sehe ich, ohne die Augen aufzumachen; aber meine Aufmerksamkeit verflüchtigt sich wie Rauch aus einem Schornstein, zerstreut sich in der Atmosphäre, wird von den winzigen Blasen gefangen, die zur Oberfläche eines Wasserglases steigen; die Szene, auf die ich durch das Glas schaue, wird verzerrt. Das, was ich in meinem Gedächtnis zu bewahren glaubte, hat sich verwandelt, ist nutzlos, ergibt kein wahres Bild mehr. Die Buchstaben in meinen Büchern formen sich zu einem kleinen Bogen, versuchen, sich zu drehen, zusammen mit der Oberfläche, auf der sie ruhen. Auf einmal vermitteln sie eine ganz andere Botschaft; durch das trügerische Wasser ändern alle Bücher ihren Titel, ihren Sinn.

Ich stecke mein Kinn in das Trinkgefäß und schaue in die Tiefe. Kleine Staubpartikel vermischen sich mit den flüchtigen Blasen; dreht sich das Glas, drehen sie sich mit; das Wasser zittert vor Angst; oben bilden sich kleine Berge, später auch Mulden, deren Schicksal die Stille der Täler ist, wo man sich mit geradem Rücken ausruht.

Ich weiß, ich brauche meine Beine nicht zu bewegen. Um neue Universen zu betrachten, muss ich nicht das Dach entfernen, das mich vor dem Regen schützt.

Wenn Menschen im Schlaf ein anderes Leben führen würden, wie einige Gelehrte in Tlön behaupten, würden all die Szenarien, die du in deinen Träumen abtastest, dein Wesen bestimmen, wären Teil von dir. Doch das Einzige, was dem Chaos um dich herum eine Form gibt, um es in deine Fußstapfen einzuordnen, ist die Arbeit, die du bei Bewusstsein leistest.

In meinem Kopf pocht ein aufgeblasener Ballon, der wird immer größer, nimmt allmählich den ganzen Raum ein. Meine auf den Tisch gestützten Ellbogen haben sich seit langem nicht mehr bewegt, drücken schmerzhaft gegen die Kante. Meine Augen schmerzen von innen, wollen sich von ihren Höhlen lösen, sich von all den dünnen Fäden befreien, die sie im Raum festhalten. Jeder Knochen in meinen Beinen wird von der vertikalen Stellung gequält, die sie einhalten müssen, um meine Unbeweglichkeit zu tragen, die so viel wiegt wie ein ganzes Gebäude.

Mein Hals gibt langsam nach, mein Kopf dreht sich wie ein Kreisel. Ich war nie der Meister meiner Gedanken. Sie ziehen nach und nach vorbei wie an der Wand projizierte Dias. Ich versuche, mich weiter auf den leuchtenden Bildschirm zu konzentrieren, doch ich habe die Kontrolle verloren; bald wird sich ein neues Bild zeigen, das ich nicht aufgerufen habe, eine neue Erinnerung, die mich an einen Ort bringt, wo ich nicht hinwill.

Wenn ich zurückkomme, werde ich versuchen weiter zu arbeiten, aber die Bilder werden sich durchsetzen. Sie sind so mächtig, sie heben mich von meinem Stuhl. Jetzt bin ich dabei, den Kühlschrank aufzumachen – ich spüre die kalte Luft an meinen Wangen. Ich bin so weit weg von dem, was ich mir vorgenommen habe.

Was ist mit dir los! Setz dich wieder hin und mach weiter. Du weißt ja, dass, wenn du zulässt, dass sich deine Lider in einem gnadenlosen Augenblick schließen, du wieder von vorne beginnen musst. Du wirst endlos viel Zeit verschwendet haben, wirst den Wettlauf verlieren; deine Worte sind flüchtig, man kann nicht ewig an einem Ort bleiben.

Es stimmt, dass man nicht ewig an einem Ort bleiben kann. Aber ich brauche ein wenig mehr Zeit an diesem hier. Die Vorstellung, mich zu bewegen, quält mich, weil ich nicht weiß, wohin.

Wenn meine angewinkelten Beine gegen das seidene Betttuch streifen, bin ich berauscht. Von dieser kleinen Matratze werde ich zu neuen Welten hinaufsteigen, die nicht davon abhängen, was ich tue. Ein kleiner Stachel in meiner Seite erinnert mich daran, was ich beiseitegelegt habe: das Unerledigte – ich weiß, es wird nicht einfach verschwinden, irgendwann werde ich mich darum kümmern (?)