Socken stopfen
Maria Bujanov

 

damit die Füße nicht rausfallen,
damit die Füße nicht auf kaltem Boden stehen,
damit der Boden nicht durchbohrt wird von den Füßen,
die dann kalt und schwer sind und den Boden
durchbohren, weil er nachgibt, weil er einstürzt und dann nicht mehr hält, was er verspricht, nämlich
der Boden unter deinen Füßen zu sein,
der voller Ohnmacht die Lebewesen nicht mehr halten kann und die Lebewesen können sich selbst nicht mehr festhalten, da alles um sie herum schon lange abgestürzt ist und niemand mehr an etwas Halt finden kann, obwohl eigentlich ziemlich viel da war und das alles auch noch da ist,
nur eben unterm Boden,

aber wo ist dieser Raum dann eigentlich, wenn auch der Boden zusammenfällt?
wohin fällt dann alles?
und wo bist du jetzt eigentlich?

eigentlich ist ein komisches Wort, das das Gemeinte einschließt und gleichzeitig ausschließt,
also das Gemeinte nicht mehr so wirklich meint.
und wenn wir weiterdenken, waren doch alle auf dem Boden und sind dann unter dem Boden,
oder etwa nicht?

als sie auf dem Boden waren und die Socken plötzlich Löcher bekamen, wurden die Löcher gestopft.
gerade noch rechtzeitig, bevor die Füße aus den Socken fallen konnten.
also kaufst du entweder neue Socken ohne Löcher oder du stopfst sie so schnell es geht.
also tust du eben das, was du gerade schaffst,
um auf dem Boden zu bleiben und nicht darunter zu fallen.

Löcher geben Raum, Möglichkeiten zu fühlen, was ohne Loch nicht wäre.

ohne Loch klingt wie die Negation einer Negation
und doch bleibt eigentlich noch viel weniger übrig als nichts –

vielleicht trotzdem ein Raum zum Füllen.

 

(für i)